Armin Friedmann

Journalist, Kritiker, Dramatiker

Wien, 31. Dezember 1933

Unser Jubilar Armin Friedmann!

Eine Hommage von Jenny Unterkofler zum 70. Geburtstag 

"[E]r lief mit wieselartiger Geschwindigkeit auf der Gasse, in der Redaktion, von einem Zimmer ins andere, mit einer unvorstellbaren Geschwindigkeit, Behändigkeit und Wendigkeit.“ 

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Rudolf Holzer, Wiener Zeitung, 1.1.1947

Heute, am letzten Tage des Jahres 1933, wird Armin Friedmann 70 Jahre alt. Da der Postgang zum Hause Friedmann heute aufgrund der zahlreichen Gratulationsschreiben sicherlich ein schwerer ist, beglückwünschen wir den Jubilar mit dieser Würdigung seines umfassenden Oeuvres, indem wir ein besonderes Augenmerk auf eine seiner gefeierten Komödien legen. 

Ein Glücksgriff von Friedmann in gewohnter Zusammenarbeit mit Louis Nerz (1866–1938) ist die Komödie Schottenring. Am 12. Jänner hatte es in den Kammerspielen seine Uraufführung gefeiert und seitdem eine lange Reise hinter sich. Die witzige und geistvolle dreiaktige Fabrikantenkomödie bringt aus dem Leben geholte Persönlichkeiten ins Theater, die durch die starke Handlung und wirksame Effekte brillieren. Die Wirkungssicherheit der Rollen lag nicht zuletzt an der glänzenden Darstellung aller Beteiligten, die uns ein unvergleichliches und ungewöhnliches Vergnügen auf der Bühne bescherten. Ein verkörpertes Stück Wiener Lokalgeschichte mit all unseren Lieblingen: Gisela Werbezirk natürlich, die in der unvergesslichen Hauptrolle als alte Proßnitzer ihren Ruhm eine jede Nacht aufs Neue steigerte. Auch das fantastische Wiederauftreten von Mizzi Günther nach jahrelanger Bühnenabwesenheit hat uns große Freude bereitet sowie das übrige Ensemble, das in jede Richtung glänzt und vom stürmischen Erfolg in stets weitere Wiederholungen gerufen wurde.

Doch ohne viele Zeilen über die großartige Inszenierung selbst zu verlieren, zeichnen wir hier den Weg einer Wiener Fabrikantenkomödie in die große weite Welt nach. Die Aufführungen in den Kammerspielen waren allabendlich von lautem Beifall geprägt, wie es der eine oder andere bereits vorausgesagt hatte. Das Stück war Anfang des Jahres dermaßen beliebt, sodass Direktor Aurel Nowotny ein geplantes Gastspiel verschieben musste, um die gefeierte Premierenbesetzung weiterhin auftreten zu lassen. Kurz darauf kam es zur 25. Aufführung des Stücks. Während der Triumph nicht enden wollte, wurde es trotz größtem Erfolg kurzzeitig abgesetzt, um dann wieder in den Spielplan der Kammerspiele aufgenommen zu werden. Am 15. März die 50. Aufführung des Stücks! Neuerlich war eine letzte Vorstellung vorgesehen, nämlich für den 26. März, doch ein Blick in die Wiener Zeitungen reichte aus, um festzustellen, dass es bis Mitte April als Glanzstück im Repertoire stand. Ein fulminanter Erfolg!

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Mit April begann nun die Reise vom Schottenring ins Ausland. Nicht nur das Ungarische Theater in Budapest plante eine ungarische Uraufführung, sondern auch eine holländische Übersetzung und Bearbeitung wurde umgesetzt, um das Stück auf der Amsterdamer Bühne als Die drei Proßnitzer brillieren zu lassen. Ein internationaler Erfolg mit zahlreichen Adaptierungen aber auch Gastspielen für die fleißige Gisela Werbezirk selbst: So war sie im April auf der Prager Deutschen Bühne zu sehen, und in Karlsbad, Marienbad sowie Franzensbad hatte sie ihre Paraderolle ebenso vor stets ausverkauften Plätzen und großem Beifall gezeigt. Zuletzt absolvierte sie im September ein mehrtägiges Gastspiel in den Stadttheatern von Bozen und Meran sowie im Innerstädter Theater in Budapest.

Was macht dieses Stück nur so erfolgreich? Nach langer Recherche sind wir auf das Erfolgsrezept von Armin Friedmann gestoßen, welches er bereits im letzten Jahr in den Programm-Blättern des Neuen Lustspielhauses preisgegeben hatte: „Wenn alle im Haus sagen: ‚Diesmal ist’s nichts!‘ – dann wird es sicher was!“ 

Armin Friedmann 

geb. 31.12.1863 in Budapest 

gest. 30.5.1939 in Wien

Am letzten Tag des Jahres 1863 wird Armin in Budapest als das erste Kind von Josefine (geb. Taub, 1842–1894) und David Friedmann (1828–1889) geboren. Kurze Zeit später übersiedelt die Familie nach Wien. David Friedmann ist als Gold- und Silberarbeiter beim Juwelier Taub & Comp am Stephansplatz beschäftigt. 1874 gründet er dort auf Nummer 9 sein eigenes Geschäft. Sein Sohn Armin ist als Nachfolger vorgesehen, in der Realschule in der Ballgasse erwirbt er dafür das notwendige kaufmännische Wissen. Statt das Geschäft zu übernehmen, entdeckt er seine Leidenschaft für Kunst auf Reisen nach Italien, Frankreich und Spanien. Trotz der fehlenden Matura besucht er als außerordentlicher Hörer Vorlesungen bei den namhaften Kunsthistorikern Franz Wickhoff (1853–1909) und Alois Riegl (1858–1905). Sein ausgeprägter Wissensdrang und sein breites Interesse machen den Autodidakten bald zu einem hochkompetenten Intellektuellen. 1898 wird Friedmann Kunstkritiker bei der renommierten Wiener Zeitung. 22 Jahre lang schreibt er über die aktuellen Kunstgeschehnisse, immer mit großer Sympathie für die Jungen und Neuen.

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Sein Kollege, der spätere Chefredakteur Rudolf Holzer (1875–1965), erinnert sich an ihn als blendenden Ironiker, der niemals höhnische Urteile fällte. Friedmann war somit ein Gegenpol zur vernichtenden Allmacht von Kulturkritikern wie Karl Kraus (1874–1936). 1919 wechselt Friedmann zum Neuen Wiener Tagblatt und schreibt vermehrt Theaterkritiken. Seit 1910 tritt er außerdem als Dramatiker in Erscheinung, eines der frühesten Stücke, Onkel Bernhard, wird ein enormer Erfolg. In den nächsten 25 Jahren folgen hundert Stücke, die er Stars wie Hansi Niese (1875–1934), Gisela Werbezirk (1875–1956) oder Alexander Girardi (1850–1918) auf den Leib schreibt.

Friedmann begeistert das kosmopolitische Wiener Publikum mit sogenannten Jargonstücken, die dem Antisemitismus der deutschnational Gesinnten mit rasantem Witz begegnen. Wie schreibt man ein Judenstück veröffentlicht Friedmann als dramaturgisches Rezept für seine Bewunderer und Neider in einem Programmheft 1932. Im Februar 1938 wird seine neueste Komödie Der Blaue Knabe angekündigt, bei der Hans Moser (1880–1964) die Hauptrolle übernehmen soll. 

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Der „Anschluss“ Österreichs am 12. März 1938 vernichtet Friedmanns Existenz. Wie er und seine Frau Therese (geb. Reichel, 1870–1942), die er am 20. April 1890 heiratete, die NS-Zeit erlebten, ist nicht überliefert. Armin Friedmann stirbt am 30. Mai 1939. Seine Frau wird im Holocaust ermordet. Die Ehe blieb kinderlos. Friedmanns Kollege und guter Freund Rudolf Holzer hat 1947 in einem ausführlichen Nachruf in der Wiener Zeitung an Friedmann erinnert und seinen literarischen Nachlass bewahrt.

Was bleibt?

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Ein Jahr nach dem „Anschluss“ starb Armin Friedmann im Alter von 75 Jahren am 30. Mai 1939 in Wien an Herzschwäche. Die Beileidsbekundungen an seine Frau Therese, die sich im Archiv des Theatermuseums befinden, gewähren einen Einblick in die große Bewunderung und Wertschätzung für den verstorbenen Journalisten, Schriftsteller und Bühnenautor. Allerdings erfolgten diese nur noch im Stillen und Privaten.

So schrieb der Schriftsteller Felix Salten (1869–1945) folgende Worte an Therese:
„Nur selten gibt es Menschen von so hohem geistigen Rang, von solchem Adel der Seele wie Armin Friedmann es war. Er hatte ein solch subtiles Empfinden für das Leben, für die Wirklichkeit und für deren Gestaltung in jeglicher Form. Aufnahmebereit, heiter, war sein Sinn den Persönlichkeiten, den Werken, den Erscheinungen der Natur geöffnet und wurde von einem ungewöhnlich tiefen Wissen unterstützt.“

Erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges veröffentlicht Rudolf Holzer einen ausführlichen Nachruf in der Wiener Zeitung: „Mit wehmutsvoller Genugtuung gedenkt man heute, daß diesem glühenden Wiener, diesem enthusiastischen Journalisten, das Los der Vernichtung durch Räuber und Mörder erspart blieb, daß Friedmann, knapp vor dem Ärgsten, in seinem schönen Heime, betreut von seiner gescheiten, stillen, liebenswürdigen Frau, starb; ihr blieb das harte Ende nicht erspart.“

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Nach dem „Anschluss“ musste die Familie Friedmann, wie alle Jüdinnen und Juden mit einem Besitz von mehr als 5.000 Reichsmark, ihr Vermögen anmelden. Armin Friedmann war ein begeisterter Sammler: historische Bücher, alte Instrumente, Muscheln und Gemälde. Am 5. Oktober 1938 drangen die nationalsozialistischen Beamten der sogenannten Vermögensverkehrsstelle (dem NS-Amt zum organisierten Raub unter Görings Verantwortung) in die Wohnung der Friedmanns zur „Überprüfung“ auf Kunstgegenstände ein. Im Aktenvermerk werden Kunstwerke von Gustav Klimt, Tina Blau und Honoré Daumier aufgelistet. Die Nationalsozialisten vermerkten außerdem in roten Lettern ein wertvolles, nicht näher genanntes niederländisches Gemälde.

Therese Friedmann wurde am 10. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Der einzige Vermerk über ihr Ableben ist die Todesfallanzeige aus Theresienstadt, „gestorben am 1. Dezember 1942, Todesursache: Enteritis-Darmkatarrh.“ 

Bis heute ist der Verbleib der Kunstsammlung der Familie Friedmann unbekannt. Henriette und Alexander Wolff, die Nichte und der Neffe von Therese Friedmann, stellten am 26. August 1947 einen Antrag auf die Restitution des ehemaligen Wohnhauses in der Börsegasse 12, dem stattgegeben wurde. Heute erinnert dort jedoch nichts mehr an das Ehepaar Friedmann.

Mit dem Tod von Armin Friedmann ist laut Rudolf Holzer „eine Kulturreminiszenz des einstigen Wien und seines großen Journalismus“ verloren gegangen. Heute ist sowohl von ihm als auch von seiner über die Jahre angehäuften wertvollen Kunstsammlung, die von den Nationalsozialisten gestohlen wurde, kaum mehr als eine Spur vorhanden.