Wien, 21. Jänner 1935

Die Kunst des Komödienspielens

Ein Porträt über den Wiener Publikumsliebling Josef Rehberger von Alexandra Mae Hiebert 

Ein Publikumsliebling

Der talentierte und wandlungsfähige Josef Rehberger zieht, sobald er auf der Bühne steht, das Publikum mit seinem schauspielerischen Können in seinen Bann. In Wien geht sein Name mit der Komödie Hand in Hand. Er ist nicht nur ein geschätztes Mitglied des Deutschen Volkstheaters, sondern zeigt auch ein außergewöhnliches Talent, Menschen mit beeindruckender Authentizität auf der Bühne darzustellen. Sei es auf der großen Leinwand im Kino oder auf der Bühne im Theater, Josef Rehberger versteht es sein Publikum zum Lachen zu bringen. 

Ein Talent der Komödie

Seit mehr als zwanzig Jahren ist Josef Rehberger als Schauspieler tätig. Somit ist er von den Bühnen Europas nicht mehr wegzudenken. Wie er im Gespräch mit dem Neuen Wiener Journal verrät, verdankt er Rolf Jahn, dem Direktor des Deutschen Volkstheaters, seinen künstlerischen Durchbruch. 1909 startete seine Schauspiellaufbahn am königlichen städtischen Theater in Olmütz. Bei ausverkauftem Haus trat er hier erstmals als Hirte in einer Inszenierung von Tristan und Isolde auf die Bühne. Neben diesem Musikdrama zeigte er sein Können auch in den Komödien Die verflixten Frauenzimmer und Komtesse Mizzi. In Baden bei Wien brachte er in den folgenden Jahren unzählige Menschen mit seinen Auftritten zum Lachen. Sei es in Hauptrollen wie jener des Emil Holler in Ernst Gettkes und Viktor Leons Schwank Der Detektiv oder in einer Nebenrolle in Viktor Leons und Leo Felds Komödie Der Große Name. Seine Vielfältigkeit und sein musikalisches Talent bewies er neben unzähligen Auftritten in Komödien auch in einer Vielzahl an Operetten. Sein Talent, Figuren mit Komik und Echtheit auf die Bühne zu bringen, steuerte er nicht nur in der Weltmetropole Wien bei, sondern auch der Theaterstadt Berlin. Dort spielte er von 1919 bis 1923 am Lessing Theater unter anderem in Theaterstücken wie Der grüneKakadu oder Robert Frank. Die Sehnsucht nach seiner Heimat trieb ihn nach Wien zurück. Unmittelbar nach seiner Rückkehr trat er im Ronacher Theater in der Revue Wien gibt acht! auf. Schließlich fand er sein langjähriges künstlerisches Zuhause am Deutschen Volkstheater in Wien.

Von der Bühne auf die große Leinwand

Josef Rehbergers Talent kann jedoch nicht nur auf den Wiener Bühnen bewundert werden, sondern auch auf den Kinoleinwänden der Stadt. Einmal quer durch Wien ist es möglich, den Schauspieler neben Fritz Schulz und Rosy Barsony in Rudolf Bernauers und Karl Farkas’ musikalischem Lustspiel Salto in die Seligkeit zu sehen. In diesem spielt er die Rolle des Geschäftsführers Herr Braun. Unsere Leser sind herzlichst eingeladen, neben dem Publikumssaal des Deutschen Volkstheaters auch die Filmsäle des Gartenbau Kinos oder des Kärntner Kinos aufzusuchen, um Josef Rehbergers künstlerische Finesse abseits der Theaterbühne zu bestaunen.

„Er verstand es […] durch seine Kunst das Ewige im Menschen zu erwecken.“

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Rabbiner Dr. Taubes, Grabrede auf Josef Rehberger, 1942

Josef Rehberger 

geb. 8.2.1889 in Wien

gest. 20.4.1942 in Zürich

Josef Rehberger wird am 8. Februar 1889 in Wien als das jüngste von achtzehn Kindern geboren. Um seine Eltern Jakob Rehberger (1846–1926) und Marie (geb. Schmidek, 1846–1925) finanziell zu unterstützen, arbeitet er bereits in jungen Jahren. So kommt es, dass er seit seiner Kindheit ein Teil des Theaters ist. Wie der Schauspieler 1930 in einem Interview mit dem Neuen Wiener Journal über sich sagt, hat seine Karriere am Theater im Zuschauerraum begonnen: „[Ich] begann auf der Galerie und nicht auf der Bühne und zwar mit acht Jahren im Theater in der Josefstadt (…) Meine Rolle hatte vier Worte: Frisch Wasser, Bäckerei, Schinkensemmel“. Seine Anstellung findet mit dem Direktionswechsel von Ignaz Wild (1849–1909) zu Josef Jarno (1865–1932) ein Ende. Wie Rehberger hierzu selbst sagt, war es „ein schwerer Schlag für mich und meine Eltern“. Der nächste Schritt in Josef Rehbergers Karriere ist der Beginn einer Lehre bei einem Uhrmacher, die er „brav und fleißig“ abschließt. Seine Liebe zum Theater ist jedoch stärker: „[M]it sechzehn Jahren brannte ich durch und ging zur Bühne.“

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In den folgenden Jahren zieht Josef Rehberger als Schauspieler durch die Habsburger Monarchie. Seine Schauspiellaufbahn startet 1909 am Stadttheater Olmütz. Von dort führt sie ihn weiter über Baden bei Wien nach Frankfurt am Main, Salzburg und bis nach Marburg an der Drau, wo er wegen seines schauspielerischen Könnens entdeckt wird. Danach kehrt er zurück nach Wien. Für die nächsten sechs Jahre ist Josef Rehberger Teil des Ensembles von Alfred Bernau (1879–1950) am Deutschen Volkstheater in Wien. Er heiratet am 16. Jänner 1915 die Schauspielerin Bertha Julianna Windhopp (1892–1975). Von 1919 bis 1923 ist Rehberger als Schauspieler in Berlin aktiv. Dort spielt er unter anderem bei Max Reinhardt (1873–1943) am Deutschen Theater. Zurück in Wien arbeitet er im Ronacher Theater, Raimund Theater und Burgtheater, bis er 1928 Teil des Ensembles unter Rolf Jahn (1898–1968) im Deutschen Volkstheater in Wien wird. 1930 endet seine Ehe mit Bertha Windhopp. Seine zweite Ehe mit der Schauspielerin Mary Schnabl (1906–?) beginnt am 21. Jänner 1931, wird sechs Jahre später jedoch wieder geschieden.

Zu dieser Zeit spielt sich Josef Rehberger in die erste Reihe der Wiener Schauspieler und ist nicht nur im Theater, sondern auch auf der großen Leinwand zu sehen. So spielt er beispielsweise in Fritz Schulz’ (1896-1972) musikalischem Lustspiel Salto in die Seligkeit (1934). Seinen letzten Theaterauftritt in Wien hat Josef Rehberger am 5. März 1938. 1939 verlässt er seine Wohnung in der Himmelpfortgasse 2 im ersten Wiener Gemeindebezirk und flüchtet in die Schweiz. Dort tritt er am 11. Juni 1941 bei einem musikalisch-literarischen Abend von Gisela Smetana (1873–1941) im Zuge der Vorführung des Lustspiels Der Selige von Hermann Bahr (1863–1934) nach langer Zeit wieder auf die Bühne und „[gibt] der Figur eines arglosen Bigamisten Licht und Farbe einer unwiderstehlichen Komik“. Am 20. April 1942 verstirbt Josef Rehberger in Zürich.

Was bleibt?

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Die Erinnerung an Josef Rehberger ist heute nicht mehr existent. Mit dem „Anschluss“ Österreichs werden sein Name, sein künstlerisches Schaffen und sein Talent nicht nur aus den Wiener Tageszeitungen entfernt, sondern auch aus dem kulturellen Alltagsdiskurs gestrichen.

Das Leben von Josef Rehberger stellt nach dem 12. März 1938 eine klaffende Leerstelle dar, die bis heute nicht gefüllt werden konnte. Nur wenige Tage zuvor stand er noch auf der Bühne und brachte das Publikum zum Lachen. Am 3. März 1938 berichtete Der Wiener Tag von der Premiere des Schauspiels Das Haus Romanow im Deutschen Volkstheater. In diesem spielte Rehberger den Großfürsten Sergei. Einen Tag später fand sich sein Name erneut in der Zeitung. Diesmal in Die kleine Volkszeitung. Ein letztes Mal wurde Josef Rehberger am 6. März 1938 in einer Wiener Tageszeitung erwähnt.

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Wie seine letzten Tage in Wien ausgesehen haben, erinnerte der Komponist und Librettist Hugo Wiener (1904–1993):

„Als ich einmal an der Sezession vorüberging, sah ich den bekannten Schauspieler des Volkstheaters, Josef Rehberger, wie er am Boden kniete und sich bemühte, das Kruckenkreuz wegzukratzen.“

Er erzählte weiter, dass die Erniedrigung hiermit nicht geendet habe. Neben diesen unmenschlichen Schikanen erfreuten sich Beistehende auch an Herabwürdigungen. 1939 gelang Rehberger die Flucht in die Schweiz.

Mit seiner Abwesenheit aus Wien und von der Theaterbühne verstummt sein künstlerisches Talent, das jeden Abend aufs Neue das Wiener Publikum begeisterte. Wie der Schweizer Rabbiner Chaim Zwi Taubes (1900–1966) im Israelitischen Wochenblatt erinnert, war

„[d]er Kunst sein Leben geweiht, und es mochte wohl zu seinem Ende beigetragen haben, daß er seinen Beruf, an dem er leidenschaftlich hing, nicht mehr ausüben konnte.“ 

Am 20. April 1942 verstarb Josef Rehberger in Zürich nach langjähriger Lungenkrankheit. Der österreichische Schauspieler Eugen Jensen (1871–1957) gedenkt seiner im Israelitischen Wochenblatt als „Opfer der Zeit“.