Siegfried Geyer

Dramaturg, Journalist, Schriftsteller, Drehbuchautor, Theaterleiter

Wien, 24. März 1934

Von der Bühne auf die Leinwand
Siegfried Geyer erobert Hollywood!

Eine Filmvorschau von Leo Plankensteiner

„Ich bin eines der liebenswürdigsten und entgegenkommendsten Opfer der allgemeinen Wirtschaftskrise. Der schlechten Konjunktur. Oder des Breitner. Oder meiner Unfähigkeit.“

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Siegfried Geyer

Von den Wiener Theaterhäusern in die große weite Welt des Tonfilms! Der Niederösterreicher und Wahlwiener Siegfried Geyer schafft gerade genau dieses Kunststück mit der amerikanischen Adaption seiner Verwechslungskomödie Bei Kerzenlicht im sonnigen Hollywood. Geyers Weg dorthin war aber durchaus turbulent. Als zwischenzeitlicher Leiter der Neuen Wiener Bühne und des Modernen Theaters zeigte er weniger Geschick als später als Autor.

Gut, das Schreiben fällt dem ehemaligen Theaterkritiker eventuell leichter als die Abwicklung eines ganzen Theaterhauses. Schließlich legte Geyer nach einem finanziellen Ausgleich mitsamt gerichtlichen Anhörungen 1925 seine Funktionen als Bühnenleiter des Modernen Theaters zurück. Die finanziellen Schwierigkeiten und seinen Wechsel zurück hinter den Schreibtisch begründet er auch mit der aktuellen Wirtschaftskrise. Die Theater, so Geyer, haben ihn aufgegeben, bevor er dazu kam, sie aufzugeben.

Ganz hat er das Theater nun glücklicherweise aber doch nicht hinter sich gelassen. Neben seiner Rückkehr als Journalist in der Zeitung Die Stunde ließ es sich Siegfried Geyer nicht nehmen, an neuen Stoffen zu arbeiten.

Nach seinem finanziellen Fauxpas als Leiter schrieb er ein Werk, das durchaus als Kassenschlager bezeichnet werden darf. Sein Stück Bei Kerzenlicht erlebt wahrlich eine atemberaubende Erfolgsgeschichte. Was am Theater an der Josefstadt mit der allseits beliebten Schauspielerin Maria Paudler begann, machte schnell seinen Lauf über London nach New York bis hin nach Hollywood, wo ausgerechnet ein weiterer erfolgreicher österreichischer Hollywood-Export nun die Hauptrolle spielt: Elissa Landi. In weiteren Rollen werden Esther Ralston, Nils Asther und Paul Lukas unter der Anleitung des Frankenstein-Regisseurs James Whales zu sehen sein.

Bei Kerzenlicht ist jedoch nicht Geyers erstes Stück, das in einen Film umgewandelt wird. Bereits zuvor zeichnete Siegfried Geyer für den Inhalt von Der Rebell und Narr seines Herzens verantwortlich. Für seine Texte arbeitet er auch gerne mit namhaften Kollegen wie Paul Frank zusammen. Der neueste Film entstand gemeinsam mit dem Schauspieler und Kabarettisten Karl Farkas.

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Die Redaktion durfte sich den neuen Film dankenswerterweise bereits vorab ansehen und sich davon ein Bild machen. Hier und da weicht die amerikanische Adaption natürlich vom originalen Theaterstück ab, jedoch sprüht die Verfilmung vor Witz und hält absolut, was sie verspricht! In dieser frechen Liebeskomödie ist wahrhaft niemand die Person, die sie vorgibt zu sein. Der Baron, im Film Prince Alfred, und sein Diener Josef versuchen verzweifelt, ihrem Idol Casanova nachzueifern und die Herzen Wiens zu erobern. Dabei kann schon mal einiges ins Wanken kommen, wenn den beiden die eine oder andere Lüge dabei herausrutscht.

Die internationale Besetzung besticht mit schauspielerischer Brillanz und muss sich damit absolut nicht vor den zahlreichen Inszenierungen an den renommierten Theaterhäusern verstecken. Die beiden Charakterbonvivants Nils Asther und Paul Lukas rittern mit viel Witz um die famosen Darstellerinnen Elissa Landi und Esther Ralston und stehen dabei allesamt gerne im flackernden Kerzenlicht: Also Licht aus, und lasset das Kerzenlicht erstrahlen!

Die von Universal produzierte Filmkomödie wird unter dem englischen Namen By Candlelight in die Kinos kommen. Hier in Wien wird der Film in englischer Originalfassung mit deutscher Beschriftung zu sehen sein. Wir blicken gespannt auf den charmanten Prinzen und dessen Kammerdiener und wünschen dem Film vor seinem Kinostart alles Gute!

Siegfried Geyer

geb. 23.1.1883 in Marchegg
gest. 1945 in Ungarn

Siegfried Geyer kommt 1883 im niederösterreichischen Marchegg als Sohn von Geschäftsinhabern unter dem Familiennamen Geyerhahn auf die Welt. Während seine Brüder in das Geschäft seiner Eltern im dritten Bezirk in Wien einsteigen, schlägt Siegfried Geyer einen anderen Weg ein. Seine künstlerische Laufbahn beginnt mit 21 Jahren, als er als junger Volontär den Sprung an das Berliner Schauspielhaus wagt. Nach seiner Zeit in Berlin zieht es Geyer nach Wien zurück, wo er fortan eine abwechslungsreiche Karriere mit vielen Höhen und Tiefen hinlegt. Neben seinen Tätigkeiten als Theaterkritiker und Journalist beginnt Siegfried Geyer gemeinsam mit Kollegen an eigenen Stoffen für Theater und Film zu arbeiten und knüpft dabei erste Kontakte in der österreichischen Filmszene.

Ab 1920 schraubt er seine journalistischen wie filmischen Tätigkeiten zurück und versucht sich für kurze Zeit als Leiter sowie Dramaturg an verschiedenen Bühnen in Wien. Nach finanziellen Schwierigkeiten verlässt Geyer aber bald wieder seine Leitungsposition und arbeitet erneut an Texten für verschiedene Komödien und Lustspiele. Den größten Erfolg feiert er dabei mit seiner Verwechslungskomödie Kleine Komödie – später als Bei Kerzenlicht bekannt –, die er gemeinsam mit Karl Farkas (1893–1971) schreibt. Die romantische Komödie feiert sowohl in der Filmwelt als auch auf nationalen wie internationalen Theaterbühnen große Erfolge. Neben Inszenierungen am Londoner Criterion Theatre oder dem Prince of Wales Theatrewird Bei Kerzenlicht in den 1930er Jahren allein am Broadway über hundert Mal aufgeführt. Die Erfolgsgeschichte des Stückes hat ihre Ursprünge am Theater in der Josefstadt. In Hollywood wird der Stoff dann recht schnell zu einem Kammerspielfilm adaptiert. Die Hauptrolle darin spielt die österreichische Hollywood-Größe Elissa Landi (1904–1948), an die heute noch ein Stern am Walk of Fame in Los Angeles erinnert. Das zu dieser Zeit sogenannte Deutsche Volkstheater in Wien wandelt Bei Kerzenlicht in eine Operette um und verleiht dem Stück eine musikalische Note. Damals rätselt man in der Zeitschrift Der Wiener Film bereits darüber, ob nach dem Theaterstück, dem Kammerspielfilm und der Operette wieder eine filmische Adaption folgen wird.Tatsächlich kommt es zu einer weiteren Verfilmung in Amerika und einer in Deutschland in den späten 1960er Jahren.

Der Autor Siegfried Geyer darf diesen Erfolg selbst gar nicht mehr miterleben. Nach dem „Anschluss“ flieht der in Wien vielseitig tätige Theaterschaffende nach Ungarn, wo er kurz vor Kriegsende ermordet wird. Vier Jahre vor seiner Flucht aus Wien läuft sein Werk noch in den österreichischen Kinos. Spätere Adaptierungen dieses Stoffes hören auch auf die Namen Casanova bei Kerzenlicht oder You Never Know. Heute ist dieses vergessene Werk wohl kaum jemandem ein Begriff.

Was bleibt?

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Siegfried Geyer machte sich in Wien durch seine vielseitigen Tätigkeiten in der Film- und Theaterbranche einen Namen. Seine Karriere brachte ihn in verschiedene Funktionen und verlief sehr abwechslungsreich, mit vielen Höhen und Tiefen. In Zeiten von Misserfolgen bewies Siegfried Geyer Selbstironie und Humor. Einer seiner Direktionskollegen beschuldigte Geyer nach dessen Aus als Bühnenleiter, aus Bequemlichkeit nie nein sagen zu können. Schließlich hätte das Wort ,,Ja“ um zwei Buchstaben weniger als das Wort ,,Nein“.

Siegfried Geyer war ein Verfechter des Theaters. Er selbst behauptete, nicht an schlechte Zeiten zu glauben, nur an gute Schauspielerund gute Stücke. Sein Stück Bei Kerzenlicht brachte ihm internationalen Erfolg und bot ihm die Möglichkeit, sein Glück auch in Übersee zu versuchen. Geyer entschied sich zunächst jedoch dafür, in Wien zu bleiben. Erst als sich die Lage 1938 immer mehr zuspitzte, wurde eine Flucht für ihn unumgänglich. Mit Hilfe von Akteur*innen des Wiener Georg Marton Verlags gelang ihm die Ausreise von Österreich nach Ungarn. Neben Siegfried Geyer schmuggelte der Verlag auch andere Autoren wie Paul Frank über die Grenze.

Nach der vollständigen Machtübernahme der Nationalsozialisten Ungarns im März 1944 änderte sich die Situation aber wiederum.Über Siegfried Geyers genaues Schicksal in Ungarn ist vieles noch unklar. Fakt ist, dass er dort 1944/45 von Nationalsozialisten ermordet wurde. An den einstigen Bewohner erinnert in der Theresianumgasse im vierten Bezirk heute nichts mehr. Auch Geyers Stücke und Filme gerieten mit der Zeit mehr und mehr in Vergessenheit.

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